Der Daoismus (chin. 道教, dàojiào „Lehre des Weges“), gemäß anderen Umschriften auch Taoismus, ist eine chinesische Philosophie und Religion und wird als Chinas eigene und authentisch chinesische Religion angesehen. Seine historisch gesicherten Ursprünge liegen im 4. Jahrhundert v. Chr., als das Daodejing (in älteren Umschriften: Tao te king, Tao te ching …) des Laozi (Laotse, Lao-tzu) entstand.
Neben Konfuzianismus und Buddhismus ist der Daoismus eine der „Drei Lehren“, die China maßgeblich prägten. Auch über China hinaus haben die „Drei Lehren“ wesentlichen Einfluss auf Religion und Geisteswelt der Menschen ausgeübt. In China beeinflusste der Daoismus die Kultur in den Bereichen der Politik, Wirtschaft, Philosophie, Literatur, Kunst, Musik, Ernährungskunde, Medizin, Chemie, Kampfkunst und Geographie.
Aufgrund der verschiedenen Ausprägungsformen, der unklaren Abgrenzung zu anderen Religionen und der mangelnden statistischen Erfassung in der Volksrepublik China ist die genaue Anzahl der Anhänger des Daoismus nur schwierig zu erfassen. Ca. 8 Millionen Daoisten leben heute auf Taiwan, wo viele der daoistischen Schulen Zuflucht vor der Verfolgung durch die Kulturrevolution suchten.
Die daoistische Vereinigung in der Volksrepublik geht von ungefähr 60 Mio. daoistischen Gläubigen in der VR China aus. Auch unter den Überseechinesen und in anderen asiatischen Ländern wie Malaysia, Singapur, Vietnam, Japan und Korea ist der Daoismus verbreitet.
Wann genau die daoistische Lehre entstanden ist, bleibt unklar. Der Daoismus hat erst in einem langen Entwicklungsprozess Form angenommen, wobei fortlaufend Strömungen des Altertums integriert wurden. Die daoistische Lehre greift viel Gedankengut auf, das in China zur Zeit der Zhou-Dynastie (1040–256 v. Chr.) weit verbreitet war.
Dazu gehören die kosmologischen Vorstellungen von Himmel und Erde, die Fünf Wandlungsphasen, die Lehre vom Qi (Energie), Yin und Yang und das Yijing (I Ging), aber auch die Tradition der Körper- und Geisteskultivierung, die mit Atemkontrolle und anderen Techniken wie Taijiquan und Qigong, Meditation, Visualisation und Imagination, Alchemie und magischen Techniken Unsterblichkeit erreichen wollte.
Die Suche nach Unsterblichkeit, ein zentrales Thema des Daoismus, geht wahrscheinlich auf sehr alte Glaubensinhalte zurück, denn im Zhuangzi, einem daoistischen Klassiker aus dem 4. Jh. v. Chr. werden bereits die Xian erwähnt, die Unsterblichen, deren wichtigste der gelbe Kaiser, Huang Di und die Königinmutter des Westens, Xiwangmu, sind, Gestalten, die schon in der Shang-Zeit im 2. Jahrtausend v.Chr. nachgewiesen sind.
Die Unterscheidung zwischen Daoismus als Religion und Daoismus als Philosophie, die lange Zeit von den chinesischen Begriffen Daojia (道家) und Daojiao (道教) ausgehend in der Sinologie verwendet wurde, ist begrifflich unscharf. Sie stellt eher ein Hilfsmittel der westlichen Sinologie dar, um verschiedene Aspekte der langen Geschichte des Daoismus leichter beschreiben zu können. Dennoch wird auch im Chinesischen zwischen philosophischem Daoismus (chin. 道家, dào jiā) und religiösem Daoismus (chin. 道教, dào jiào) unterschieden.
Der Daoismus ist jedoch eine ebenso facettenreiche Erscheinung wie andere Religionen auch. Im Laufe seiner über zweitausendjährigen Geschichte haben sich die unterschiedlichsten Lehren und Systeme herausgebildet und von heutigen Sinologen wird argumentiert, der religiöse Daoismus sei die praktische Verwirklichung des philosophischen Daoismus. Die Trennung von religiösem und philosophischem Daoismus ist daher eine Vereinfachung und es herrscht Uneinigkeit in der Forschung, ob diese Unterscheidung weiterhin verwendet werden sollte, weil sie der Komplexität des Gegenstands nicht gerecht wird.
Das Begriffspaar ist immerhin von begrenztem Nutzen, weil es in einer Beschreibung des Daoismus eine erste, hilfreiche Gliederung ermöglicht. Der Sachverhalt ist aber sehr viel mehrgestaltiger, als es diese Vereinfachung nahe legt.